Rainer Bunge: Kunststoffrecycling als moderner Ablasshandel

Professor Rainer Bunge nahm die Zuhörer des Vortrages über Kunststoffrecycling mit auf einen Ausflug in die Grauzone zwischen Ökologie, Wirtschaftlichkeit, Psychologie und Politik.

Selten wohl war ein Vortrag der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen – trotz Hudelwetter im entscheidenden Moment – so gut besucht wie am Montagabend jener von Rainer Bunge, Professor für Umwelttechnik an der Hochschule Rapperswil, und selten wurden danach so viele Fragen gestellt.

Von Dominique Hänggi, Co-Präsidentin der Naturforschenden Gesellschaft, mit einem charmanten Augenzwinkern vorgestellt, konnte Bunge gar nicht anders als seine dicke Post ebenfalls humorvoll zuzustellen. Um sein Fazit gleich vorwegzunehmen: Wenn wir im Jahr auf den Genuss von zwei Grillsteaks verzichten, tun wir doppelt so viel für unsere Ökobilanz wie mit Kunststoffrecycling.

Und weil dieser Verzicht, zugegeben, nicht einfach zu erreichen ist, so kann man stattdessen auf eine 35 Kilometer lange Autofahrt verzichten, denn bei 30 Kilometern würde noch Gleichstand bestehen. Oder noch einmal anders formuliert, um der Wissenschaft einigermassen gerecht zu werden: Mit Kunststoffrecycling (ohne PET) kann der Konsument 0,04 Prozent seines jährlichen Umweltimpacts von 20 Millionen Umweltbelastungspunkten (UBP) einsparen.

Littering: Das einzige Leck

Wer der Umwelt zuliebe wirklich etwas tun möchte, der sammelt die achtlos oder bewusst an den unmöglichsten Orten hingeworfenen Kunststoffe und führt sie der Verbrennung zu. Littering ist nämlich, so Bunge, das einzige Leck in der geordneten Entsorgungswirtschaft der Schweiz – im Gegensatz zu den Ländern der Eurozone, wo – Stand 2016 – noch 46 Prozent der gesammelten Kunststoffe nicht recycelt oder verbrannt werden, sondern aus Kostengründen nach Asien gebracht werden, wo sie dann nach einer Handsortierung zu einem unschönen Teil im Meer landen.

Die Ökobilanz der PET-Flaschen

Bunge beeilte sich aber, darauf hinzuweisen, dass die Ökobilanz der PET-Flaschen dreimal besser als jene des übrigen Kunststoffs (PE, PS) ist, weshalb sich in diesem Fall das Sammeln und das Trennen durchaus lohnen. Und wie steht es, um vom eigentlichen Thema abzukommen, um die Kaugummis? Die Kaugummi-Recyclingbox sei 250-mal teurer als die Verbrennung in der KVA, führte der Umwelttechniker aus und sprach danach von Downcycling, denn das so gewonnene Plastikgranulat könne einzig für Zaunpfähle, Partybänke oder Europaletten verwendet werden, wo sie den erneuerbaren Rohstoff Holz ersetzen anstatt Kunststoff.

Er habe aber nichts gegen das Kunststoffrecyceln, meinte der Referent schmunzelnd, zumal die Bilanz eben doch ein klein wenig besser als beim Verbrennen sei; aber man müsse einfach die Relationen sehen. Bestenfalls gehe es um eine Erhöhung des ökologischen Bewusstseins (wer recycelt, fliegt auch weniger in der Welt herum), sehr oft aber einfach nur um das Beruhigen des schlechten Gewissens. Wenn man für das Recyceln von Kunststoff (oder Kaugummi) noch bezahlen müsse, dann sei das eigentlich eine Art moderner Ablasshandel …

Lediglich ein Prozent

Noch eine erstaunliche Zahl zum Schluss: Bei einem verpackten Produkt sorgt die Verpackung gemäss Bunge lediglich für ein Prozent der Umweltbelastung. Natürlich könne es sinnvoll sein, unverpackte Lebensmittel zu kaufen, aber wichtiger sei es, darauf zu achten, woher sie kommen und dass man sie geniesst, bevor sie verderben