Johannes Winzeler: Ein frommer Unternehmer

Der Erweckungsprediger Johannes Winzeler-Gimmi (1815–1863) ist am kommenden Sonntag Thema eines öffentlichen Gottesdienstes in der FEG.

180828 THA Johannes Winzeler

THAYNGEN Was haben die erste St. Galler Kantonsratspräsidentin Johanna Nüesch, der langjährige Ständerat und Stadtpräsident von Stein am Rhein, Johannes Winzeler-Lutz, sowie der Thaynger Bäckermeister, Lokalhistoriker und Politiker Fritz Nägeli miteinander zu tun?

Nach dem Titel dieses Artikels ist die Antwort natürlich einfach, sonst aber wäre man kaum auf die Idee gekommen, dass sie alle Nachkommen des «Storzlers» Johannes Winzeler-Gimmi sind.

Gründer evangelischer Gemeinden

Johannes Winzeler ist, wie sein Name vermuten lässt, ein Barzheimer. Er kam aber am 27. August 1815 auf dem Gut Stokarberg in Schaffhausen zur Welt. Via Lustdorf gelangte er erst um 1825 nach dem Tod seines Vaters erstmals nach Barzheim, wo die Familie ein Stück Gemeindeland zugewiesen erhielt und wo er bereits als 14-Jähriger erste Drainageversuche anstellte.

Nach einer Ausbildung zum Schreiner in Thayngen zog er nach Bern, wo er sich immer stärker dem Glauben zuwandte und mit 20 Jahren als Wanderprediger wirkte. 1838 musste er – als «Vagabundierer und Müssiggänger», vor allem aber wegen «täuferischer Umtriebe» – ein Jahr in der Strafanstalt Thorberg verbringen. Am 22. Juni 1843 heiratete er Anna Gimmi und kehrte mit ihr nach Barzheim zurück.

Auch in Schaffhausen war die Praxis der Glaubenstaufe lange Zeit nicht akzeptiert, was aber Winzeler nicht von seinem missionarischen Einsatz abhielt. Die Freien Evangelischen Gemeinden in Thayngen, Wilchingen, Merishausen und Hallau gehen nebst solchen in den Kantonen Bern, Zürich und Thurgau massgeblich auf Johannes Winzeler zurück.

1852 bezog die kinderreiche Familie in Storzeln (Hilzingen) das 1849 gekaufte, darniederliegende Hofgut des Ferdinand von Hornstein- Binningen. Bis zu seinem Tode am 1. März 1863 gelang es ihm, den Bauernhof auf einen grünen Zweig zu bringen und eine kleine Industrie mit Weberei und Färberei einzurichten. 1912 wurde das Hofgut an den Baron von Batow abgetreten. Einige Jahre später kaufte es die Stadt Stuttgart und zusätzlich auch noch die Gebäulichkeiten der ehemaligen Spinnerei und Tuchfabrik, wonach 1918 mit dem Wegzug der Familie von Hermann Winzeler-Meili das Kapitel «Winzeler in Storzeln» – abgesehen vom 1889 angelegten Friedhof – endete.

Ist ohnehin allen Familiengeschichten ein gewisser Reiz, von zumindest privatem Interesse, inne, so trifft dies auf Johannes Winzeler-Gimmi und seine Nachfahren in ganz besonderem Masse zu. Nicht weniger als zehn Seiten haben wir 1988 den «Frommen von Storzeln» und ihren Nachkommen in der Ortsgeschichte von Barzheim gewidmet – und mussten doch manches verkürzt wiedergeben oder aufgrund fehlender Kenntnisse bedauerliche Lücken oder ungenaue Jahreszahlen in Kauf nehmen.

Neue Biografie erschienen

Nun aber hat ein Nachkomme der fünften Generation, Hanspeter Nüesch, im Rahmen eines Familientreffens im September 2017 diese Lücken, zumindest bis zur dritten Generation, weitgehend geschlossen und im 88-seitigen Werk «Johannes Winzeler. 1815–1863. Erweckungsprediger, Gemeindegründer, Sozialmanager, Liederdichter und Gründer der christlichen Dorfgemeinschaft Storzeln» festgehalten.

Die Familiengeschichte besticht nicht zuletzt durch den Abdruck verschiedener frommer Lieder und Gedichte, welche die Persönlichkeit Johannes Winzelers spürbar machen. Das ist aufschlussreich und spannend, selbst wenn man Winzelers christliche Ansichten nicht uneingeschränkt teilt. Schön wäre es, wenn in der Folge weitere Dokumente und Informationen auftauchen würden, die bald einmal eine vierte, neuerlich ergänzte Auflage nötig machen.

Es stellt sich sogar, aus lokalhistorisch-touristischer Sicht, die Frage, ob es allein mit diesem Büchlein sein Bewenden haben soll oder ob nicht, analog zum Täuferweg in Schleitheim-Merishausen, auch ein Storzlerweg denkbar wäre. Doch zunächst findet am kommenden Sonntag ein Gedenkgottesdienst statt.

Das Büchlein «Johannes Winzeler. 1815–1863. Erweckungsprediger, Gemeindegründer, Sozialmanager, Liederdichter und Gründer der christlichen Dorfgemeinschaft Storzeln» kann bei Hanspeter Nüesch bezogen werden, entweder unter der E-Mail-Adresse hpnuesch@cfc.ch oder per Telefon unter der Nummer 044 844 47 53.

Kasten: «Ein kleiner Mann mit grosser Wirkung»

Hanspeter Nüesch hat kürzlich das Leben und Wirken von Johannes Winzeler-Gimmi und seinen Nachfahren in einem Büchlein zusammengefasst (siehe Haupttext). Am kommenden Sonntag wird er im Rahmen eines Gedenkgottesdienstes über seinen Vorfahren berichten (unter dem Titel: «Ein kleiner Mann aus Barzheim mit grosser Wirkung»). Hanspeter Nüeschs Mutter präsidierte als erste Frau den St. Galler Kantonsrat. Er selbst war langjähriger Leiter der überkonfessionellen christlichen Organisation Campus für Christus. (r.) Sonntag, 2. September, 9.30 Uhr, Freie Evangelische Gemeinde, Schlatterweg 35, Thayngen.