Differenzierte Betrachtung des Weltkriegs

Das Interesse am Zweiten Weltkrieg ist auch in Schaffhausen nach wie vor sehr gross. Nicht weniger als 400 Personen beteiligten sich am Dienstag an einem vom Magazin «NZZ Geschichte» in Zusammenarbeit mit dem Museum zu Allerheiligen organisierten Anlass.

180913 SN NZZ Geschichte Zweiter Weltkrieg

Auf den Spuren des Zweiten Weltkriegs geboten wurden am Nachmittag diverse Stadtrundgänge sowie entsprechende Kurzführungen durch das Museum mit zusammen 275 Teilnehmenden. Unter anderem widmeten sich Kunstkurator Andreas Rüfenacht und Provenienzforscher Luca Stoppa dem wenig beachteten Aspekt der Kulturspende. Nach der tragischen Bombardierung Schaffhausens am 1. April 1944 habe die NZZ dazu aufgerufen, Ersatzobjekte für die zahlreichen zerstörten Kunstwerke zu spenden. Der schweizweite Erfolg dieser Aktion habe, zusammen mit den Ankäufen der Peyerschen Tobias Stimmer-Stiftung, im Museum zu Allerheiligen zu einer «Solidaritätssammlung» geführt, die es verdiene, näher erforscht und gewürdigt zu werden.

Aus einer Laune heraus

Weshalb aber blieb die Schweiz im Zweiten Weltkrieg verschont? Auf diese Frage konzentrierte sich am frühen Abend in der restlos gefüllten Rathauslaube der Historiker Thomas Maissen im Gespräch mit Peer Teuwsen. Der eloquente Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Paris machte dies in einer empathisch-differenzierenden Art und Weise, die von den Zuhörenden ein Abrücken von einer allfälligen eindimensionalen Denkposition verlangte. Das Ernüchternde dabei: Letztlich hätte alles doch nichts genutzt, wenn Adolf Hitler aus einer Laune des Schicksals heraus die Schweiz wirklich hätte erobern wollen. Im Sommer 1940 hätte er dies laut Maissen völlig problemlos geschafft, danach bis Herbst 1944 mit überwindbaren Schwierigkeiten. Dass aber die Besetzung der Schweiz nie ganz oben auf der Traktandenliste des Führers stand, hatte verschiedene Gründe, die Maissen nicht gegeneinander ausspielen wollte.

Thesen und wunde Punkte

Im Laufe des Gesprächs relativierte Maissen unter anderem die These von der «wirtschaftlichen Integration ohne politische Partizipation» eines Jakob Tanner sowie die genderspezifische Bewertung der Frauen als die «wahren Retterinnen der Schweiz», da sie in der Wirtschaft einsprangen, während die Männer quasi unproduktiv im Reduit verharrten. Auf verschiedene wunde Punkte im Verhalten der Schweiz angesprochen, wies der Historiker keineswegs unkritisch darauf hin, die offizielle Schweiz habe vorschnell von einem «vollen Boot» gesprochen und die Nationalbank viel zu lange Raubgold aus Holland und Belgien akzeptiert.

Die Erkenntnis, dass die Schweiz letztlich zu klein und zu wenig mächtig sei, um ihr Schicksal im Alleingang bestimmen zu können, sei im Übrigen weniger neu, als man denke. Bereits der Historiker Edgar Bonjour habe in diesem Zusammenhang von «Glück» gesprochen, führte Teuwsen aus, und Maissen ergänzte, in den früheren Verweisen auf «Gottes schützende Hand» widerspiegle sich letztlich dieselbe Einschätzung.