Die Schweizer sind ein Volk der Spender

Spenden tut doppelt gut – dem Spender und dem Begünstigten. Missbräuche bei diesem Milliardengeschäft sind zwar selten. Trotzdem lohnt es sich, wachsam zu sein. Ein gutes Indiz für Vertrauenswürdigkeit ist das Zewo-Gütesiegel.

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Weihnachten rückt näher. In den Schaufenstern preisen sich uns die ultimativen Geschenke an, in der Post häufen sich die Spendenaufrufe. Bekannte und unbekannte Hilfsorganisationen fordern uns auf, unseren Teil zur Linderung der Not in der Schweiz und in der ganzen Welt beizutragen. Jeder Rappen zählt. Franken sind allerdings besser.

Diese Sammelflut entpuppt sich bisweilen als Sammelwut. Das sorgt für Verunsicherung, weil es schwierig ist, Anliegen seriöser Hilfswerke von fragwürdigen Bettelbriefen mit einem überhöhten Grad an Eigennützigkeit zu unterscheiden. Und tatsächlich entnehmen wir mit einer gewissen Regelmässigkeit den Medien, Millionen Spendengelder seien gar noch nicht eingesetzt worden, versickerten bei korrupten Behörden oder dienten nicht zuletzt der Finanzierung des aufwändigen Apparats der Hilfsorganisationen. Diesen August etwa ging ein weiterer Spendenskandal durch die Medien: Gelder des Hilfswerks World Vision sind missbräuchlich der radikalen palästinensischen Hamas zugespielt worden. In solchen Momenten ist die Verärgerung bei den Schweizer Spenderinnen und Spendern riesengross – erfreulicherweise aber doch nicht so gross wie der Wille, die humanitäre Tradition des Landes hochzuhalten.

1,8 Milliarden Spendengelder

Im Jahr 2015 haben die Hilfswerke in der Schweiz nicht weniger als 1,8 Milliarden Franken Spenden erhalten. Das sind nochmals über 100 Millionen Franken mehr als im Vorjahr. Fast 60 Prozent dieser Gelder, rund 1,1 Milliarden, gingen an die Organisationen mit dem Zewo-Gütesiegel (siehe Kasten). Betrachtet man deren Gesamtumsatz, so machen die Spenden genau einen Drittel aus; Es kommen 40 Prozent staatliche Beiträge sowie 27 Prozent Eigenleistungen oder andere Einnahmen hinzu. Damit ergibt sich ein Total von 3,32 Milliarden Franken Jahresumsatz. Und extrapoliert man diesen auf alle Hilfsorganisationen, so kommt man auf sagenhafte 5,5 Milliarden Franken.

Trau, schau wem

Es lohnt sich also, als Spenderin oder Spender bei Sammelaktionen und insbesondere auch bei Legaten ganz genau hinzusehen, wer berücksichtigt werden soll. Der wichtigste Spendetipp ist so lapidar wie entscheidend: Wählen Sie ein Hilfswerk Ihres Vertrauens aus. Als Grundlage dafür kann das Zewo-Gütesiegel dienen, über welches rund 500 Hilfsorganisationen verfügen. Die Auswahl bleibt also nach wie vor gross. Und sie ist natürlich noch grösser, denn auch von den übrigen NPO (Non-Profit-Organisationen) sind viele, vermutlich sogar die meisten seriös. Doch statt nur auf den Werbeprospekt oder das Inserat zu vertrauen, ist es bei ihnen empfehlenswert, den Jahresbericht oder die Webseite zu studieren und bei einer Suchmaschine nachzuschauen, ob die entsprechende Organisation in letzter Zeit einmal für negative Schlagzeilen gesorgt hat. Unter der Rubrik «Hier warnt die Zewo» sind fünf Organisationen aufgelistet, die negativ aufgefallen sind, sowie weitere elf, die auf verdächtige Weise intransparent sind.

Dem eigenen Herzen folgen

Und auch der nächste Tipp klingt völlig selbstverständlich: Folgen Sie nicht den lauten Marketingbotschaften gewisser Hilfswerke, sondern schlicht dem eigenen Herzen. Unterstützen Sie jene Anliegen, die ihnen persönlich besonders wichtig sind.

Warum wollen Sie es möglichst vielen Sammlern Recht machen, Ihr Spendenbudget gleichmässig verteilen und vielen Organisationen 20,30 Franken geben? Das macht mit Blick auf die administrativen Umtriebe wenig Sinn. Unterstützen Sie lieber einige ausgewählte Hilfswerke mit einem etwas grösseren Betrag und vertrauen Sie darauf, dass andere es mit anderen Hilfsorganisationen gleichmachen. Und leisten Sie Ihre Unterstützung nachhaltig, das heisst über einige Jahre hinweg. Diese Treue bringt im Normalfall eine besonders grosse Genugtuung, weil man die Exponenten des Hilfswerks und die unterstützten Projekte kennt und deren Entwicklung mitverfolgen kann.

Pate für einzelne oder Projekte?

Die Zewo empfiehlt zudem, fair zu spenden, das heisst Projekt- oder Themenpatenschaften einzugehen und nicht mit Patenschaften für ein einzelnes Kind andere auszugrenzen. Diese konsequente Haltung wird nicht von allen Hilfsorganisationen geteilt. Und gerade wenn wir betont haben, es sei wichtig, dem eigenen Herzen zu folgen, können wir Einzelpatenschaften nicht kategorisch ablehnen; Wer sich als Spender dafür entscheidet, sollte sich indes bewusst sein, dass er oder sie dadurch im Umfeld des begünstigten Kindes für Ungerechtigkeiten und Unruhe sorgen kann.

Sich nicht unter Druck fühlen

Die meisten Hilfsorganisationen möchten ihre Spenden möglichst schnell ins Trockene bringen, was die Administration erleichtert, zudem stehen bald schon die nächsten Sammlungen bevor. Deswegen sollte man sich aber nicht unter Druck setzen lassen, sondern sich für seinen Spendenentscheid die nötige Zeit nehmen.

Nicht selten kommt es vor, dass Hilfswerke ihrem Bettelbrief einen Kalender, Kunstkarten, Adresskleber oder sogar CDs beilegen. Das animiert zu höheren Spenden, stellt aber keine Verpflichtung dar. Werden die Beilagen als Geschenke deklariert, darf man sie ohne Weiteres behalten oder sogar weitergeben.

Wird hingegen ein Kaufpreis genannt, so ist dies als Offerte anzusehen. Bei Nicht-Interesse müssen sie aber nicht zurückgesandt, sondern aufbewahrt werden, bis sie zurückgefordert werden (was in der Realität aus Kostengründen nicht geschieht).

Spenden fühlt sich gut an

Alles in allem: Es gibt zwar keine absolute Gewissheit, dass die Spendengelder optimal eingesetzt werden, doch die Gefahr eines willentlichen Missbrauchs ist in der Schweiz relativ klein. Darum bereiten Sie nicht nur sich selbst, sondern auch anderen eine Weihnachtsfreude.

Der Schweizer Spendenrekord darf gerne ein weiteres Mal gebrochen werden

 

Kasten: Zewo-Gütesiegel

Als Zertifizierungsstelle für gemeinnützige Organisationen setzt sich die Zewo dafür ein, dass Hilfswerke ihre Spendengelder zweckbestimmt, wirkungsorientiert und wirtschaftlich einsetzen. Sie entwickelt und setzt entsprechende Standards für Hilfswerke, die in der Schweiz Spenden sammeln. Diese können sich auf die Einhaltung der Zewo-Standards prüfen lassen und erhalten das Zewo-Gütsiegel, wenn sie die Anforderungen erfüllen. Hilfswerke mit Zewo-Gütesiegel setzen derzeit im Durchschnitt 79% der Mittel für Projekte und Dienstleistungen ein, 13% für administrative Aufgaben und 8% für die Mittelbeschaffung. Zudem betreibt die Zewo einen Auskunftsdienst für Spenderinnen und Spender und sorgt für Klarheit rund ums Spenden.

Die Zewo wird von Martina Ziegerer (Bild) als Geschäftsführerin geleitet. Der Stiftungsrat wird von Kurt Grüter, dem ehemaligen Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle, präsidiert. Ihm gehören unter anderem die früheren Bundesparlamentarierinnen Maria Bernasconi und Christine Egerszegi-Obrist an.

Mehr Informationen unter http://www.zewo.ch