1. August: Wie vor 100 Jahren gefeiert wurde

Schon bald findet im Unteren Reiat die Thaynger Nationalfeier statt. Ein Blick in das «Volksblatt vom Reiath» und das «Schaffhauser Intelligenzblatt» zeigt, wie sehr sich in hundert Jahren die Verhältnisse gewandelt haben.

180724 TA Vor 100 Jahren

ALTDORF / THAYNGEN Der «junge, aber doch schon lorbeerbekränzte Turnverein vom Unteren Reiath» habe in Altdorf («Altorf») eine Bundesfeier zugunsten der Nationalspende organisiert, die als «durchaus gelungen bezeichnet werden darf», berichtet Korr (Korrespondent) im «Volksblatt vom Reiath». Diese Lokalzeitung wurde von Buchdrucker Karl Augustin seit 1911 dreimal in der Woche herausgegeben, ehe sie Ende 1918 in die Tageszeitung «Schaffhauser Bauer» der neu gegründeten Bauernpartei umgewandelt wurde. Heute stellt sie eine lokalgeschichtliche Fundgrube dar.

«Herr Oberturner Brütsch», berichtet also Korr, «entpuppte sich dabei in seiner patriotischen Ansprache als schneidiger, kerniger Volksredner. Der Geist der Freiheit, der Solidarität und des Opfersinns für das Volksganze hat unser schönes Schweizerhaus geschaffen. Das ist aber nicht der Geist des Egoismus, der Zügellosigkeit und der Anarchie, der aus Russland über Zürich weht und unser Haus umstossen und in den bolschewistischen Abgrund stürzen möchte.» Bald würde der Weltkrieg vorbei sein, und wann soll man sich politisch positionieren, wenn nicht am 1. August?

1. August oder 8. November?

Der 1. August hatte sich damals als Bundesfeiertag durchgesetzt. Erstmals wurde er 1891 – aus Anlass des 600-Jahr-Jubiläums der Eidgenossenschaft – gefeiert. Dies, obwohl seit dem Glarner Historiker Ägidius Tschudi (1505–1572) eher der 8. November 1309 als Geburtstag der Schweiz angesehen worden war.

Neuerdings gibt es Historiker, die sagen, eigentlich sei das Jahr 1218 bedeutsamer für das Werden der Schweiz gewesen als 1291, da mit dem Aussterben der Zähringer ein Machtvakuum entstand, in dem, neben anderen Adligen, auch die Städte sowie Bündnisse wie in der Innerschweiz sich mehr Rechte erkämpfen konnten. 1218 ist zufälligerweise auch das Geburtsjahr unseres liebsten Erzfeindes, des Aargauer Bürgers Graf Rudolf IV. von Habsburg, seines Zeichens erster römisch-deutscher König aus ebendiesem Hause.

Seit 1965 kantonaler Feiertag

1965 wurde der 1. August in Schaffhausen zum Festtag öffentlicher Ruhe erklärt, damit man ihn würdevoller feiern konnte. Das Abstimmungsresultat fiel mit 59,4 Prozent Ja-Stimmen recht deutlich aus, obwohl die bürgerlichen Parteien und auch die Landgemeinden dagegen waren. In den heute zu Thayngen gehörenden vier Gemeinden des Unteren Reiats und Barzheim betrug der Nein-Stimmen-Anteil 63 Prozent, doch fiel das im Vergleich zum wesentlich grösseren Thayngen mit seinen 62 Prozent Ja-Stimmen nicht ins Gewicht. Gesamtschweizerisch sollte es noch bis November 1993 dauern, bis der Souverän den 1. August zum arbeitsfreien Feiertag erhob.

Freiübungen und Pferd-Pyramiden

Doch zurück nach Altdorf: Hier bot der Turnverein «präzis ausgeführte Freiübungen, Pferd-Pyramiden, Stab- und Freiübungsreigen und prächtige Frei- und Leiterpyramiden. Dazu sangen der Männerchor Opfertshofen, der Kirchenchor und die Altdorfer Schüler.» Korr drückte den Beteiligten den «aufrichtigen vaterländischen Dank» aus.

Und was passierte derweil in Thayngen, wo der 1. August in den letzten Jahren ebenfalls von den turnenden und singenden Vereinen gestaltet worden war? Diesmal war alles ganz anders: «Die erst vor Kurzem ins Leben gerufene Grütlimusik gab am Kirchenplatz und am Kreuzplatz einige patriotische Weisen zum besten», führte Redaktor Augustin aus, ehe die Berichterstattung in Form eines «Eingesandt» folgte: Die neu gegründete Grütlimusik «spielte zwei Vaterlandslieder, ‹Rufst du, mein Vaterland› und ‹Trittst im Morgenrot daher›. Wie man dem Applaus des Publikums entnehmen konnte, so war man zufrieden mit den Leistungen. Wenn auch die Lieder nicht ganz einwandfrei vorgetragen wurden, so muss man sich doch wundern, wie in der kurzen Zeit von einem Monat eine neugegründete Musik, bestehend aus lauter jungen Burschen, solches schon leisten konnte.»

Bereits 1897 ein Musikverein

Dass eine junge Musik in Thayngen alt wurde (und jung blieb), war keine Selbstverständlichkeit. Jedenfalls finden sich bereits Ende 1897 im «Schaffhauser Intelligenzblatt» ein offenbar nur kurzlebiger Musikverein Thayngen und 1900 eine Harmonie-Musik Schaffhausen-Thayngen. Diesmal aber wurden die nötigen musikalischen und finanziellen Fortschritte erzielt: Bereits 1923 durfte die Grütlimusik den Kantonalen Musiktag in Thayngen durchführen und zusammen mit ihrer Patensektion, der Stadtmusik Schaffhausen, eine Fahne einweihen. Ende 1925 änderte man den Namen in Musikverein Thayngen, wie man auch auf dessen attraktiver Homepage www.mv-thayngen.ch nachlesen kann.

Unsere Nationalhymne aber, welche die Fussballhelden mehr oder weniger gut beherrschen, ist erst seit 1961 provisorisch und seit 1981 offiziell. Vorher galt «Rufst du, mein Vaterland» als Nationalhymne, was die Engländer ärgerte, welche bei der gleichen Melodie Gänsehaut bekommen wollten.

Weil am 1. August 1918 wegen der Grütlimusik nicht geturnt wurde, sprang das Sommer-Varieté Metropol in die Bresche. Am Wochenende vom 4./5. August bot auf dem Thaynger Kreuzplatz mehrere Galavorstellungen die Familie Meyer: bestbekannt als Trois Mereaux.